Kastrationen, um Leben zu retten (01.03.2011)
Ausschnitt aus der Arbeit einer Tierärztin
Kastrationen, um Leben zu retten
Hier kann die Geschichte von Dr. Melanie Stehle nachgelesen werden, wie sie Wally in Kreta gerettet hat und letztlich uns diese wunderbare Hündin anvertraut hat. Wir sind seitdem mit Melanie Stehle befreundet.
So hat Wally auch Menschen zueinander gebracht.
Kastrationen um Leben zu retten
Bericht über einen Kastrationseinsatz mit dem Tierärztepool von Dr. Melanie Stehle
Manchmal stellt man sich die Frage, welche "Augenblicke" verantwortlich sind für das was man tut, wie man handelt und wie diese Momente das eigene Leben verändern.
Es war ein ganz normaler Tag während einer Kastrationsaktion. Wenn man überhaupt von "normalen Tagen" sprechen kann. Erfahrungsgemäß bringt jeder Tag irgendwelche Überraschungen mit sich, sei es, dass sich die Zahl der erwarteten Tiere für die Kastrationen spontan verdoppelt, zwischendurch verunfallte und kranke Tiere zur Untersuchung gebracht werden, schnell noch neben der Kastration eine Gliedmaße amputiert oder ein Auge entfernt werden muss. "Normaler Alltag" für das Tierärzteteam, dem neben der chirurgischen Höchstleistung nicht selten bis spät in die Nacht Meisterleistungen abverlangt werden.
An diesem besagten Tag brachte uns eine engagierte Tierschützerin eine ausgemergelte Shar Pei Hündin von der Straße. Anwohner hatten beobachtet, dass sie seit über einer Woche keinerlei Nahrung und Wasser zu sich nahm. Mit dem Verdacht auf "Magenverstimmung wegen Wasseraufnahme aus einem Swimmingpool" wurde sie vom Tierarzt vor Ort ohne Therapie wieder nach Hause geschickt. Es war einer dieser später mir bewusst werdenden "Augenblicke", eine Situation, die ich nie vergessen werde. Wir, das heißt meine Kollegin Nina Schöllhorn und ich, kümmerten uns um einen Shar Pei. Es handelt sich hierbei um eine charakterlich sehr selbstbewusste und liebenswerte Hunderasse, die man eher selten als Straßenhund ohne Besitzer aufgreift. Uns fiel bei der Untersuchung ein hochgradig schmerzhafter Bauch auf. Wir verabreichten ihr Infusionen und Medikamente, die ihren Zustand stabilisieren sollten und behielten sie bei uns. Da sich die Schmerzen weiter verstärkten, ordneten wir Röntgenaufnahmen bei einem anderen Tierarzt an. Dieser äußerte anhand des Röntgenbildes den Verdacht einer Gebärmuttervereiterung. Angesichts ihres kritischen Zustandes wollte er die Operation allerdings erst in 3 Tagen nach dem Wochenende durchführen. Wir entschieden uns für eine nächtliche Notoperation. Sie hätte keinen Tag länger überlebt
Beim Eröffnen der Bauchhöhle kam uns Eiter entgegen - es war Eiter aus einer aufgebrochenen Gebärmutter. Da sie zu diesem Zeitpunkt schon Fieber hatte und dies ein Anzeichen auf eine Blutvergiftung war, war ihre Prognose mehr als fraglich
Es war der nächste "Augenblick" zwischen Nina und mir, wo wir uns anblickten und uns fragten, ob wir ihr eine Chance geben sollten oder ob es vergebliche Mühe ist. Wir entschieden uns eindeutig für die Chance, da Wally ja selbst schon seit Tagen um ihr Leben kämpfte.
Die nächsten Tage blieben kritisch, sie hatte keinen Appetit und die Gefahr des Nierenversagens war immens. Doch plötzlich kam die Wende. Tag für Tag kamen neue Lebensfunktionen zurück, sie interessierte sich nun für andere Patienten, beschnüffelte alles und jeden und als sie am insgesamt 10. Tag plötzlich freiwillig ihre dicke Nase in die Futterschüssel steckte, war wieder einer dieser entscheidenden "Augenblicke", diesmal mit Freudentränen in den Augen und Freudensprüngen - wir wussten, sie hatte es geschafft!!!!!!
Wally hatte uns schnell mit ihrem speziellen Charme um den Finger gewickelt und wir lachten permanent über ihre zurückkehrende Lebensfreude und ihren Erkundungsdrang. Ich löste mein Versprechen, sie mitzunehmen und sie noch vollständig aufzupäppeln, ein. Zusätzlich sollten noch beide eingerollten Unterlider operiert werden, damit sie keine dauerhaften Hornhautirritationen und Trübungen auf der Augenoberfläche behält.
Wally lebte 5 Monate an meiner Seite, bevor ich sie nun an eine für Wally perfekte Familie als Endstelle vermittelt habe. Sie war eine absolute Bereicherung für mein Leben und eine treue Weggefährtin - und ich wage nicht daran zu denken, wie viele tolle Tiere nicht die Chance haben, in letzter Minute gerettet zu werden. Es stellt sich die Frage, was wir gegen dieses, scheinbar unendliche, Leid tun können. Sicherlich spielen der Umgang der Menschen mit Tieren - und ihr Bewusstsein ihnen gegenüber - eine entscheidende Rolle. Die Einstellung der Süd- und Osteuropäer gegenüber Kastrationen bei Straßen- und Privathunden und Katzen müsste weiter ausgebaut werden und es sollte mehr Tierärzte geben, die eine gute und sichere Kastrationstechnik beherrschen. Eine Frage für die Zukunft ist, ob es nicht ein sinnvoller Ansatz wäre, Tierärzte in diese Richtung auszubilden. Der Tierärztepool geht meiner Meinung und Erfahrung nach genau den richtigen Weg, denn er verhindert mit relativ geringen Mitteln das Übel an der Wurzel. Für immer!
Durch die jahrelange und tausendfache Erfahrung hat sich eine sehr schonende Kastrationstechnik mit sehr kleinem Hautschnitt entwickeln können, deren Weitergabe an andere Kollegen nur von Vorteil auch im Sinne des Tierschutzes - sein kann. Ich kann aus meiner Erfahrung nur jedem Kollegen einen Einsatz mit dem Tierärztepool wärmstens empfehlen.
Ihre Melanie Stehle